Der Deutsche Bundestag hat heute das vierte Bevölkerungsschutzgesetzs (4. BevSchG) in geänderter Fassung verabschiedet. Am Donnerstag wird der Bundesrat zu einer Sondersitzung beraten, kann das Gesetz jedoch nicht aufhalten, weil es nicht zustimmungspflichtig ist. Damit kann die bundesweite Notbremse noch im April in Kraft treten.
Als Abgeordnete konnten wir erhebliche Verbesserungen und Änderungen am Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren der Bundesregierung durchsetzen.
1. Befristung bis zum 30. Juni 2021: Sämtliche Maßnahmen der sog. bundesweiten „Notbremse“ – die nur für Landkreise bzw. kreisfreie Städte mit einer Inzidenz über 100 gelten – werden gesetzlich bis zum 30. Juni 2021 befristet. So wird sichergestellt, dass die weitreichenden Grundrechtseingriffe enden, unabhängig von der weiteren Entwicklung der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“, mit deren Feststellung der Bundestag im März 2020 die Rechtsgrundlage für die bisherigen Schutzmaßnahmen von Bund und Ländern beschlossen hat. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten und der diversen Virusvarianten müssen wir die Schutzmaßnahmen kontinuierlich prüfen und anpassen. Einen Blanko-Scheck für Grundrechtseinschränkungen wird der Bundestag jedenfalls nicht erteilen.
2. Rechtsverordnungen nur mit aktiver Zustimmung des Bundestages: Rechtsverordnungen, mit denen die Bundesregierung ab einer Inzidenz von 100 Einschränkungen und Lockerungen gemäß §28a Abs 1 Satz 1 IfSG (z.B. bei Kontakten, Veranstaltungen, Einzelhandel usw.) erlassen darf, können nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundestages in Kraft treten. In der Regel verabschiedet die Bundesregierung Verordnungen ohne das Parlament zu beteiligen, das aber zuvor per Gesetz eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage geschaffen haben muss. Solche Ermächtigungen können sinnvoll sein, um schnelles Regierungshandeln zu ermöglichen. Angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe haben wir als Parlament bestimmt, dass der Bundestag in Bezug auf die Notbremse jeder Rechtsverordnung aktiv zustimmen muss. Die ursprüngliche Regelung der Zustimmung ohne aktiven Widerspruch haben wir gestrichen. Ein souveränes Parlament muss gerade in einer solchen historischen Krise seiner Kontrollfunktion im Auftrag der Bürger aktiv und zuverlässig nachkommen.
3. Umgang mit geimpften und negativ Getesteten: Mit einem neuen §28c IfSG schaffen wir eine Rechtsgrundlage, damit die Bundesregierung per Rechtsverordnung passgenaue und verhältnismäßige Regelungen für geimpfte oder negativ getestete Personen in den Hochinzidenzgebieten erlassen kann. Auch diese Verordnungen brauchen die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.
4. Ausgangsbeschränkungen von 22:00 bzw. 24:00 bis 05:00 Uhr: Wir haben durchgesetzt, dass die Ausgangssperre grundsätzlich erst ab 22:00 Uhr greift und damit näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen ist. Zudem haben wir festgelegt, dass einzelne Personen noch bis 24:00 Uhr alleine noch unterwegs sein dürfen, z.B. um zu joggen. Im Übrigen gibt es 6 Ausnahmeregelungen für die gesamte Zeitspanne der Ausgangssperre wie Gassi-Gehen mit dem Hund, berufliche Pflichten, Betreuung oder andere besonders wichtige Aufgaben.
5. Einkaufen vor Ort: bleibt mit Test und Termin (click & meet) bis zu einer Inzidenz von 150 zulässig. Das System Bestellung und Abholung (click&collect) bleibt unabhängig von der Inzidenz immer zulässig. Damit haben wir die in Bayern bewährten Konzepte der vorsichtigen Öffnung des Einzelhandels trotz gestiegener Inzidenzen auch auf Bundesebene verankert und bieten dem Einzelhandel in dieser extrem schwierigen Lage eine Perspektive.
6. Öffnungen für Kinder: Zoologische und botanische Gärten dürfen mit entsprechen Hygienekonzepten (Termin-Test-Abstand) ihre Außenbereiche offen halten. Zudem dürfen Kinder unter 14 Jahren in Gruppen von 5 Kindern im Außenbereich Sport machen.
7. Schulen schließen ab Inzidenz von 165: Um die Wirksamkeit der Notbremse flächendeckend zu verbessern haben wir die Inzidenz, ab der Schulen in den Distanzunterricht wechseln müssen, von 200 auf 165 gesenkt. Schulen haben aus gutem Grund eine Sonderstellung in der Pandemiebekämpfung. Gleichzeitig gelten sie aber auch als ein Treiber in der Pandemie. Deshalb war es uns wichtig hier maßvoll nachzusteuern, um die Notbremse insgesamt möglichst wirksam zu halten.
8. Ausnahmen für köpernahe Dienstleistungen: Aufgrund der besonderen Bedeutung v.a. für ältere Menschen bleiben sog. körpernahe Dienstleistungen, die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen, sowie Friseurbetriebe und Fußpflege zulässig, sofern sie durch entsprechende Tests (max. 24 Stunden), Termine und Hygienekonzepte abgesichert sind.
Eine Krise ist und bleibt erstmal die Stunde der Exekutive, die schnell und entschlossen handeln muss. Aus dieser Stunde darf aber kein sprichwörtliches Jahr werden. Deshalb haben wir als selbstbewusste Parlamentarier unser Mitsprachrecht nicht nur immer wieder eingefordert, sondern auch ausgeübt. Die Tatsache, dass unser Änderungsantrag genauso viele Seiten umfasst wie der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist dafür nur ein Indiz.
Insgesamt haben wir einen vernünftigen Kompromiss gefunden. Wir müssen diese gefährliche dritte Welle brechen, bevor unser Gesundheitssystem überfordert ist. Das fordern Intensivmediziner seit Wochen. Gleichzeitig müssen wir die Maßnahmen verhältnismäßig halten und die Menschen mitnehmen. Dabei gilt: Ein harter Lockdown für wenige Wochen ist weniger gravierend, als ein vermeintlich leichter Lockdown über viele Monate.
Es kommt jetzt auf uns alle bzw. jeden Einzelnen an, um das Infektionsgeschehen zu drehen. Unser freiheitlicher Staat lebt auch in dieser Pandemie von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann: Mündigen und eigenverantwortlichen Bürgern. Sie sind meiner Meinung nach der primäre Grund, der Deutschland im Vergleich zu vielen anderen westlichen Ländern besser durch die Krise kommen lässt.
Dabei haben wir alle eine echte Perspektive: Denn die Impfkampagne in Deutschland nimmt jeden Tag weiter Fahrt auf. Aktuell wird in Deutschland alle 0,2 Sekunden eine Impfung verabreicht. Rund 20 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen mindestens einmal geimpft. Diese Werte werden wir in den kommenden Wochen mit aller Kraft steigern. Wenn wir es schaffen, die Infektionszahlen jetzt noch einmal gemeinsam zu drücken, kann unser Land bereits im Sommer wieder richtig aufatmen und ein großes Stück Normalität zurückgewinnen – davon bin ich überzeugt.
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