Anhörung zum Katastrophenschutz: Experten sehen Nachbesserungsbedarf

15. April 2021

Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat am vergangen Montag in einer öffentlichen Anhörung mit Experten zum Bevölkerungsschutz in der Pandemie ausgetauscht. Die Anhörung wurde von Andrea Lindholz als Ausschussvorsitzender geleitet. Das Fazit war klar: Auch wenn Deutschland insgesamt bisher besser durch die Krise gekommen ist als in der Öffentlichkeit gelegentlich dargestellt, hat die Corona-Pandemie Schwächen und Defizite im System des Bevölkerungsschutzes offenbart. Das Gesundheitswesen sei zum Teil unzureichend auf die Krise vorbereitet gewesen, was auch darauf zurückzuführen sei, dass in der Vergangenheit Kapazitäten abgebaut worden seien. Notwendig seien zusätzliche Investitionen, um Deutschlands „Krisenresilienz“ zu stärken, und der Aufbau neuer koordinierender und forschender Institutionen.

Als Experten zu Gast waren neben Albrecht Broemme, (Vorsitzender des Berliner Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit), Gerd Friedsam (Präsident des THW) und  Armin Schuster (Präsident des  Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) auch Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes und weitere Experten.

Der Vorsitzende des Berliner Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit, Albrecht Broemmebemängelte, dass es in der Krise vielfach nicht gelungen sei, vorhandenes Wissen zu kommunizieren und umzusetzen. „Das Streben nach perfekten Lösungen verhindert die guten“, laute eine der Lehren aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres. Statt Krisenmanagement sei oftmals nur Krisenverwaltung zu erleben. Auch an der Verständigung über gesellschaftspolitische Grundsatzfragen, etwa zum Umgang mit Grundrechten oder dem Datenschutz, habe es gefehlt. Broemme empfahl die Ernennung von Corona-Beauftragten „mit Durchgriffsrecht“ auf Bundes-, Länder und Kreisebene.

Dass vorhandene Systeme der Krisenbewältigung vielfach nicht angemessen genutzt worden seien, kritisierte auch der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Gerd Friedsam. Die Pandemie habe die Fragilität internationaler Lieferketten offenbart. In bundesweiten Notlagen bedürfe es schneller Zugriffsmöglichkeiten auf Schutz- und Versorgungsmaterial. Friedsam sprach sich daher für den Aufbau einer nationalen Gesundheitsschutz-Reserve in bundesweit acht von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam unterhaltenen Logistikzentren aus. Vier davon seien derzeit im Aufbau. Für seine eigene Organisation zog Friedsam eine positive Bilanz. In 580 der insgesamt 668 Ortsvereine des THW hätten 70.000 ehrenamtliche Helfer bisher 900.000 Arbeitsstunden geleistet.

Die Notwendigkeit, mehr in den Bevölkerungsschutz zu investieren, betonte auch der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Christian Reuter. Dies sei gewissermaßen als „Versicherungsprämie“ aufzufasssen, denn: „Wir werden öfter solche Lagen bekommen.“ Bisher habe jede große Krise einen eklatanten Mangel an Ausstattung und Material offenbart, was auch damit zu tun habe, dass in der Vergangenheit im trügerischen Gefühl einer „Friedensdividende“ Ressourcen abgebaut worden seien. Reuter mahnte auch, die Bevölkerung in der Breite mehr als bisher für Rettungs- und Pflegaufgaben in Notlagen zu sensibilisieren und zu qualifizieren.

Eine „nationale Resilienzstrategie“ mahnte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, an: „Mehr Vorsorge, weniger Prinzip Hoffnung.“ Insgesamt sehe Deutschland in der Pandemie „immer noch gut aus“. Viele Helfer hätten einen hervorragenden Job gemacht. Schuster regte in diesem Zusammenhang die Stiftung eines „Corona-Verdienstordens“ an.

Die Frage sei allerdings, was geschähe, wenn die Bundeswehr einmal nicht in dem Umfang verfügbar sei wie derzeit. Wie stehe es um die „zivile Durchhaltefähigkeit“ Deutschland? Für die Aus- und Fortbildung von Entscheidungsträgern und Experten schlug Schuster eine Bundesakademie für Bevölkerungsschutz vor. Ausführliche Informationen zur Anhörung finden Sie hier.