Der Bundestag hatte in dieser Woche ein ernstes Thema auf der Tagesordnung: die sogenannte Neuregelung der Suizidhilfe, kurz „Sterbehilfe“ genannt. Nach einer intensiven Debatte und eingehenden Beratungen wurde eine Neuregelung zur Sterbehilfe noch einmal vertagt. Notwendig war die Befassung mit der Suizidbeihilfe geworden, weil ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 bisherige Regelungen aufgehoben hatte. Am Donnerstag dieser Sitzungswoche standen neben zwei Gesetzesentwürfen auch ein Antrag einer großen Anzahl von Abgeordneten zur Abstimmung. Die zwei sogenannten „fraktionsübergreifenden Gruppen“, welche die beiden Gesetzesentwürfe geschrieben hatten, waren schließlich mit dem vorliegenden Antrag auf einen gemeinsamen Nenner gekommen, was die Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag begrüßen. Dieser Antrag fordert die Bundesregierung auf, eine Strategie für Suizidprävention zu entwerfen und diese dem Bundestag binnen eines Jahres vorzulegen. Weiterhin solle die Bundesregierung jährlich über die Umsetzung der Maßnahmen aus der nationalen Strategie zur Suizidprävention berichten. Der Antrag erhielt schließlich die Mehrheit im Plenum mit 639 „Ja“-Stimmen. Nachlesen können Sie diesen hier.
Keine Mehrheit hatten die zwei ebenfalls zur Abstimmung gestellten Gesetzesentwürfe der beiden unterschiedlichen fraktionsübergreifenden Gruppen gefunden. Die Form von Gruppenanträgen wird dann gewählt, wenn der parlamentarische Meinungs- und Willensbildungsprozess in besonderem Maße eine Gewissensentscheidung des einzelnen Abgeordneten ist. In diesen Fällen wird für die Abstimmung die sogenannte Fraktionsdisziplin von den Fraktionen im Bundestag aufgehoben. Abgeordnete verständigen sich dann über die Parteigrenzen hinweg auf sogenannte Gruppenanträge – so auch in diesem Fall.
Der erste Entwurf war von der Gruppe um die Abgeordneten Heveling (CDU), Castellucci (SPD) und Pilsinger (CSU) geschrieben worden. Im Vordergrund dieses Vorschlags zur Neuregelung der Sterbehilfe stand der Schutz des hohen Guts des Lebens. Der assistierte Suizid dürfe unter keinen Umständen zur neuen Normalität werden, so der Entwurf. Die Selbstbestimmung und die freiverantwortliche Entscheidung über den eigenen Tod sei laut dem Entwurf ein ernstzunehmendes Bedürfnis von Menschen in Grenzsituationen des Lebens. Gleichzeitig müsse man als Gesetzgeber darauf achten, vulnerable Gruppen zu schützen, so Ansgar Heveling MdB. Dieser erläuterte, dass die freie Entscheidung über den eigenen Tod niemals gefällt werden dürfe aufgrund von innerem und äußerem Druck. Hier käme dem Gesetzgeber eine besondere Verantwortung zu. „Einem Teenager in Todessehnsucht aufgrund von Liebeskummer dürfen wir mit einer neuen gesetzlichen Regelung auf keinen Fall Tor und Türen öffnen zu assistiertem Suizid. Hier müssen wir uns als Gesetzgeber verantwortlich zeigen und Schutzmaßnahmen einziehen in das Gesetz.“, so Andrea Lindholz MdB.
Der zweite Entwurf der Gruppe Helling-Plahr/Künast unterschied sich markant in punkto Beratung: Er forderte den flächendeckenden Aufbau einer staatlich finanzierten Suizidhilfe-Infrastruktur in Verantwortung der Bundesländer. Ziel sei es damit, Suizidbeihilfe leichter für Menschen erreichbar zu machen. Die Gruppe Castellucci/Heveling kritisierte diese Forderung, dass damit die Hürden für die Beihilfe zum Suizid abgesenkt werden würden. Qualifiziertes Fachpersonal sei schließlich ein wesentlicher Baustein bei dem Aufbau einer Suizidberatungs-Infrastruktur. Eine Entscheidung, ob wirklich der freie Wille eines Menschen mit Suizidwunsch hier zu Grunde liege, sei schließlich sehr weitreichend und könne nur von professionell ausgebildetem Fachpersonal beurteilt werden.
Beide Gruppen hatten sich schließlich auf den oben erwähnten gemeinsam aufgesetzten Antrag verständigt. Damit ermöglichen sich die Abgeordneten, sich noch eingehender mit den Folgen einer neuen Gesetzgebung zur Sterbehilfe zu beschäftigen. Gleichzeitig soll die Suizidprävention weiter in den Vordergrund rücken. Problematisch an der Ablehnung der beiden Gesetzesentwürfe ist aus Sicht vieler Unionsfraktionsabgeordneter, dass damit wieder die alte Rechtslage gilt, die vor der Einführung des sogenannten Strafrechtrechtsparagrafen 217 zur Strafbarkeit der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ geltendes Recht in der Bundesrepublik war. Damit gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung, die eine gewerbliche Sterbehilfe verbietet. Das Thema wird daher nach Ansicht der Mehrheit der Angeordneten wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen, da es klare Grenzen durch den Gesetzgeber bei einer gewerblichen Sterbehilfe braucht. „Das Leben ist das höchste Gut, das wir haben. Dieses gilt es bei allem ernsten Mitgefühl für Menschen in schweren Lebenssituationen zu erhalten.“, so Andrea Lindholz.