Eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Keiner der Anträge, die dazu im Bundestag beraten wurden, fand eine Mehrheit. Die Unionsfraktion bleibt aber gesprächsbereit und wirbt weiterhin für ihr Konzept einer Impfvorsorge. Damit wäre Deutschland gerüstet für den Fall, dass im Herbst gefährlichere Corona-Varianten auftreten und ein passender Impfstoff vorhanden sein sollte.
Der Antrag beruht auf der Einführung eines Impfregisters und regelmäßigen Berichten der Regierung an das Parlament über den Stand der Pandemie. Sollten im Herbst tödliche Virusvarianten auftauchen und dann ein wirksamer Impfstoff vorhanden sein, könnte der Bundestag eine Impfpflicht scharfschalten. Diese würde in Stufen eingeführt werden – gestaffelt nach Alter, gesundheitlicher Vorbelastung und beruflichem Risiko und müsste durch einen Beschluss des Bundestages scharfgeschaltet werden. Ein solches Vorgehen ist laut Unionsfraktion angemessen, geeignet und verhältnismäßig genauso, wie das Bundesverfassungsgericht es verlangt.
Die Unionsfraktion hatte als einzige Fraktion einen eigenen Antrag erarbeitet. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, machte darauf aufmerksam, dass dieser Antrag in der Mitte aller Vorschläge liege und bereits in sich einen Kompromiss darstelle. Mit ihm könne man auch die polarisierte gesellschaftliche Debatte befrieden.
Die Regierungskoalition hatte mangels Einigkeit mehrere Gruppenanträge hervorgebracht, darunter einer für eine Impfpflicht ab 18 und einer für eine Impfpflicht ab 50. Sie begründete dies damit, dass es sich um eine Gewissensentscheidung handele. Dem widersprach Unionsfraktionschef Friedrich Merz in der Debatte klar und deutlich.
Weil sich für keinen der Gruppenanträge eine Mehrheit abzeichnete, legten beide Gruppen kurz vor Toresschluss noch einen gemeinsamen Antrag für eine Impfpflicht ab 60 vor, die je nach Lage komplett zurückgenommen oder ausgeweitet werden kann. Dies war von der Unionsfraktion schon im Vorfeld der Abstimmung als unseriös gewertet worden. Warken sprach von einem unwürdigen Lavieren.
Über die Reihenfolge der Abstimmung im Bundestag kam es noch zu einem Geschäftsordnungsdebatte. Denn die Koalition wollte von der langjährigen parlamentarischen Tradition abweichen, dass zunächst derjenige Vorschlag abgestimmt wird, der am weitesten vom rechtlichen Status quo abweicht – in dem Fall jener für die Impflicht ab 60. Indem die Koalition den Vorschlag aus den eigenen Reihen zuletzt aufrufen lassen wollte, hoffte sie, auch Stimmen von Unionsabgeordneten einzusammeln.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz warf der Ampel vor, sie wolle mit dem Verfahren von der Tatsache „ablenken, dass Sie in Ihrer eigenen Regierung keine Mehrheit haben“. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei sah den Grund für die geänderte Abstimmungsreihenfolge darin, „dass Sie Ihrer eigenen Vorlage misstrauen“. Er äußerte die Befürchtung, dass mit diesem Verfahren die Akzeptanz für die Impfpflicht im Land nicht gefördert werde.
Alle Unionsabgeordneten zeigten sich in der Debatte weiter gesprächsbereit. „Wir strecken Ihnen die Hand entgegen“, sagte Tino Sorge.