Orientierungsdebatte zur Reform der Sterbehilfe

19. Mai 2022

Am Mittwoch stand im Bundestag eine besondere Debatte an. In einer sehr sachlichen Generalaussprache haben die Abgeordneten über Möglichkeiten zur Reform der Sterbehilfe beraten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte im Februar 2020 das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt und klargestellt, dass Menschen ein Recht haben, selbstbestimmt zu sterben, auch mit Unterstützung Dritter.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten will die Sterbehilfe neu regeln und hat dazu bereits einen Gesetzentwurf (20/904) vorgelegt. Er sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich strafbar sein soll. Nicht rechtswidrig soll jedoch die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn die suizidwillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.

Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung soll verboten sein, sachliche Informationen von Ärzten hingegen erlaubt. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Anwendung eines tödlich wirkenden Mittels als betäubungsmittelrechtlich begründet anzuerkennen. Diskutiert wurde auch über weitere Gruppenanträge, die dem Bundestag aber noch nicht offiziell vorliegen.

In der Aussprache hoben viele Redner das Selbstbestimmungsrecht der Menschen hervor, das sich auch auf die Entscheidung erstrecke, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Einigkeit bestand zudem darin, eine geeignete Beratungsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen und Suizide wo immer möglich zu verhindern. Manche Redner forderten einen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. Andere Redner warnten vor den intransparenten Geschäftsinteressen mancher Anbieter professioneller Sterbehilfe.

Ansgar Heveling (CDU/CSU) erinnerte an die emotionale Debatte im Bundestag von 2014 über die Sterbebegleitung. Argumente und Emotionen seien aufeinander geprallt, der Kompromiss sei eine Sternstunde des Parlaments gewesen. Nach der Entscheidung des Karlsruher Gerichts sei die Ausgangslage nun aber neu und werfe komplexe Fragen auf. So etwa die, wann ein Suizidwunsch Ausdruck von Autonomie sei.

Womöglich handele es sich gar nicht um eine eigene Entscheidung, vielleicht seien Betroffene zu krank, um die Entscheidung zu reflektieren. Dies abzugrenzen, sei nicht trivial. Es sei wichtig, dass sich der Staat schützend vor das Leben des Einzelnen stelle. Geschäftsmodelle, die dazu führten, dass Suizide als Normalfall gelten, müssten verhindert werden. Nötig sei ein klares Schutzkonzept.

Als einer von wenigen Rednern schilderte Mark Biadacz (CDU/CSU) eine persönliche Erfahrung, von seinem schwer kranken Vater, der sich für das Leben entschieden habe. Die Grundfrage des menschlichen Daseins berühre die Identität und Individualität. Jeder Einzelne könne eine freie Entscheidung treffen. Bei gesetzlichen Regelungen würden jedoch zentrale ethische Fragestellungen berührt.

„Wir müssen als Gesellschaft die nötigen ethischen Leitplanken diskutieren und setzen.“ Es gehe um einen klar definierten Rahmen zum Schutz der selbstständigen Entscheidung über das eigene Leben, wobei der Schutz des Lebens und die Würde im Mittelpunkt stünden.