Der Bundestag mit seinen aktuell 736 Abgeordneten soll verkleinert werden. Darin sind sich die Fraktionen im Parlament einig. Wie das Wahlrecht geändert werden soll, darin sind die Fraktionen aber unterschiedlicher Meinung. Die Unionsfraktion ist bereit, gemeinsam mit der Koalition an einer Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages zu arbeiten. FDP und Grüne haben in dieser Woche ihren Vorschlag für eine Wahlrechtsreform vorgelegt. Den jüngsten Vorschlag der Ampel, Überhang- und Ausgleichsmandate komplett abzuschaffen, lehnt die Unionsfraktion indes ab.
Was möchte die Ampel mit der Wahlrechtsreform ändern?
Der Gesetzentwurf der Ampel sieht vor, dass der Bundestag eine feste Größe von 598 Abgeordneten hat. Jeder Wähler soll zwei Stimmen erhalten, eine „Wahlkreisstimme“ für einen Direktkandidaten und eine „Hauptstimme“ für die Landesliste einer Partei. Die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag orientiert sich dabei allein an den abgegebenen „Hauptstimmen“. Überhang- und Ausgleichsmandate werden abgeschafft.
Wenn in einem Bundesland mehr Direktmandate anfallen als einer Partei nach dem Hauptstimmenergebnis zustehen, fallen diese überhängenden Direktmandate weg. In den Bundestag ziehen also nur die Direktkandidaten ein, die über eine entsprechende „Hauptstimmendeckung“ verfügen. Direktmandate werden so nicht mehr unmittelbar gewonnen, sondern nach dem sogenannten Hauptstimmenergebnis „zugeteilt“. Wahlkreise, in denen der Wahlkreissieger nicht über die erforderliche „Hauptstimmendeckung“ verfügt, sind also nicht mehr durch einen Wahlkreiskandidaten im Bundestag vertreten. In dem von der Ampel vorgestellten Modell bleibt es bei 299 Wahlkreisen. Die bereits beschlossene und ab 2024 gültige Reduzierung auf 280 Wahlkreise soll rückgängig gemacht werden.
Was würde das konkret bedeuten?
Mit dem Wahlrechtsmodell der Ampel wird es in vielen Wahlkreisen keine direkt gewählten Abgeordneten mehr geben. Die Bürgerinnen und Bürger werden dann häufig keine unmittelbare Interessenvertretung im Deutschen Bundestag mehr haben. Welche Personen tatsächlich in den Deutschen Bundestag einziehen, wird nach dem Willen der Ampel künftig stärker von den Listen der Parteien abhängen als von der Bürgerstimme der Wählerinnen und Wähler.
In den Wahlkreisen, in denen ein eigentlich erfolgreicher Bewerber kein Mandat zugeteilt bekommt, obwohl er Stimmensieger ist, wird die Politikverdrossenheitzunehmen, da dort die Stimmabgabe für den Direktkandidaten wirkungslos wird. Besonders betroffen werden hiervon Städte sowie Wahlkreise in den östlichen Bundesländernsein, weil dort Wahlkreise mit relativ geringen Stimmenanteilen gewonnen werden.
Zudem wird die Chance eines Wahlkreisbewerbers, ein Mandat zu erringen, von Faktoren abhängig gemacht, die außerhalb des Wahlkreises liegen. Denn ob ein Direktkandidat erfolgreich ist, bemisst sich wesentlich danach, wie er im Verhältnis zu anderen Direktkandidaten abschneidet. Für den Wähler wird damit die Erfolgschance seiner Stimmabgabe unkalkulierbar.
Warum lehnt die Union den Vorschlag ab?
Für die CDU/CSU ist klar, dass ein Wahlgesetz, das einen im Wahlkreis vom Volk direkt gewählten Kandidaten den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der Unmittelbarkeit der Wahl und das Demokratie-Prinzip verstößt. Der Gesetzentwurf der Ampel ist keine geeignete Grundlage für einen Wahlrechtskompromiss der im Deutschen Bundestag vertretenen demokratischen Parteien. Nach Meinung der Union stellt dieser Gesetzentwurf einen in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Bruch mit dem System der personalisierten Verhältniswahl dar:
Wie seht der Vorschlag der Union aus?
Auch für CDU und CSU ist klar, dass der Bundestag verkleinert werden muss. Die Fraktion hatte deshalb mit dem „Echten Zwei-Stimmen-Wahlrecht“ ein Modell vorgeschlagen, das klar, einfach und verfassungskonform ist. Nach ersten Gesprächen zwischen Union und den Fraktionen der Ampel ist aber leider deutlich geworden, dass auf Seiten der Koalition offenkundig keine Bereitschaft, über diesen Vorschlag ernsthaft zu beraten. Trotzdem wird weiter nach Lösungen gesucht, um das Ziel einer deutlichen Verkleinerung des Bundestags zu erreichen. Die Union hat deshalb einen Vier-Punkte-Vorschlag für einen möglichen Kompromiss unterbreitet und steht zu weiteren Gesprächen bereit: