Der Deutsche Bundestag hat am Mittwoch dieser Sitzungswoche im Rahmen einer Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Gedenkreden hielten in diesem Jahr die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende Eva Szepesi und der 1949 in Polen geborene Sportjournalist Marcel Reif, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, als Repräsentanten der sogenannten ersten und zweiten Generation.
Besonders eindringlich war die Rede von Eva Szepesi. Sie berichtete von dem unvorstellbaren Leid, das sie als Kind im Konzentrationslager erfuhr. Es sei zu ihrer Lebensaufgabe geworden, „für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können“, sagte sie im Bundestag und schilderte mit ergreifenden Worten die fortschreitende Diskriminierung, der sie als Jüdin in ihrer Heimat ausgesetzt war: „Ich musste meine geliebten Haustiere abgeben – nur weil ich Jüdin bin. Ich durfte nicht mehr ins Schwimmbad – nur weil ich Jüdin bin. Ich spürte die Ausgrenzung in meiner Schule, auch von meinen besten Freunden, – nur weil ich Jüdin bin.“
Heute stehe sie im Bundestag, um Zeugnis abzulegen. Nie sei das wichtiger gewesen als jetzt, ist die 91-Jährige überzeugt und warnte eindringlich vor dem erstarkenden Antisemitismus in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. „Es schmerzt mich, wenn Schüler jetzt wieder Angst haben in die Schule zu gehen – nur weil sie Juden sind. Es schmerzt mich, wenn meine Urenkel immer noch von Polizisten mit Maschinengewehren beschützt werden müssen – nur weil sie Juden sind.“
Marcel Reif zeigte sich überzeugt, dass Menschen wie Eva Szepesi Deutschland eine zweite Chance gegeben hätten. Eine Chance, „es anders, besser, richtig zu machen“. Gleichzeitig machte er aber auch klar, dass diese Chance „niemals und nirgends“ vertan werden dürfe. Das ‚Nie wieder!‘ müsse „gelebte, unverrückbare Wirklichkeit“ sein.
Der Bundestag erinnert am oder um den 27. Januar jedes Jahr an die Millionen Menschen, die dem Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Anlass ist die Befreiung der Auschwitz-Überlebenden am 27.01.1945. Gleichzeitig findet im Paul-Löbe-Haus die Ausstellung „I said, ‚Auf Wiedersehen’ – 85 Jahre Kindertransport nach Großbritannien“ statt. Anhand von individuellen Schicksalen, Briefen und anderen persönlichen Zeugnissen zeigt die Ausstellung die Geschichte einer beispiellosen Rettungsaktion, die nach den Pogromen vom 9. November 1938 begonnen hatte. Die Ausstellung, die von der Berthold Leibinger Stiftung in Kooperation mit dem Freundeskreis Yad Vashem e.V., der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, der Wiener Holocaust Library und der Association of Jewish Refugees vorbereitet wurde, wird vom 31. Januar bis zum 23. Februar 2024 im Bundestag gezeigt. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Foto: DBT/J. Schmitz