In dieser Woche wurden die Vorsitze der Ausschüsse vergeben. Die Tatsache, dass der Innenausschuss künftig von einem Vorsitzenden der AfD geleitet werden soll, hat parteiübergreifend Kopfschütteln verursacht.
Auch Bundestagsabgeordnete Andrea Lindholz hat sich als ehemalige Vorsitzende des Ausschusses fassungslos gezeigt: „Die Ampel hätte verhindern müssen, dass der Innenausschussvorsitz an die AfD geht. In der Teppichhändlerrunde hatten die Ampel-Koalitionäre im ersten Zugriff die Möglichkeit, den Innenausschussvorsitz selbst zu besetzen. Es ist ein sicherheitspolitischer Skandal, dass die Ampel dieses Amt einer Partei überlässt, die von Extremisten durchsetzt ist. Ausgerechnet die AfD, die selbst zur Hälfte vom Verfassungsschutz beobachtet wird, soll künftig die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitsbehörden leiten. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Die Ampel hat mit dieser bewussten Entscheidung den Innenausschuss zum Spielfeld der AfD degradiert. Diese innenpolitische Instinktlosigkeit und sicherheitspolitische Ambitionslosigkeit der Ampel-Koalitionäre macht mich fassungslos. Das haben unsere Sicherheitsbehörden, der Ausschuss und das Ministerium nicht verdient.“
Andrea Lindholz selbst war bereits seit Längerem klar, dass die CSU, den Vorsitz nicht mehr erhalten wird.
Aber wie werden die Vorsitze der Ausschüsse eigentlich verteilt?
Den einzelnen Fraktionen steht entsprechend ihrer Stärke eine bestimmte Anzahl von Ausschussvorsitzenden zu. Diese richtet sich nach den Mehrheitsverhältnissen im Plenum. Wie hoch diese Zahl ist, wird durch das mathematische Berechnungsverfahren Sainte-Laguë/Schepers ermittelt. Nachdem der Berechnung wird geklärt, welche Fraktion in welchem Ausschuss den Vorsitzenden oder Stellvertreter stellen kann. Dies geschieht entweder durch Verständigung im Ältestenrat oder über das sogenannte Zugriffsverfahren, wie in der vergangenen und der aktuellen Legislaturperiode.
Wie funktioniert das Zugriffsverfahren?
Dabei kann jede Fraktion in der vorher aufgrund der Größenverhältnisse festgelegten Reihenfolge auf den Ausschussvorsitz „zugreifen“, der dann noch frei ist und der ihr am attraktivsten erscheint. In dieser Wahlperiode startete die SPD, gefolgt von Union, Grünen, FDP , AfD. Nach ihr waren SPD und Union ein zweites und auch noch ein drittes Mal an der Reihe, bevor die Grünen zum zweiten und die kleine Linke zum ersten Mal aussuchen durften, gefolgt vom zweiten Zugriff der FDP – und immer so weiter, bis alles verteilt war. Die größte Oppositionspartei greift hier in der ersten Runde immer nach dem Haushaltsausschuss als sog. „Königsausschuss“. Da diese Rolle der Union zufällt hat die Union in der ersten Runde den Haushaltsausschuss gewählt. Nur im Haushaltsausschuss lassen sich die Grundlagen der gesamten Regierungspolitik und das Budget kontrollieren. Hätte die Union diesen sog. „Königsausschuss“ den Koalitionsfraktionen überlassen, wäre das eine Absage an ihren Anspruch an eine bestmögliche und umfassende Oppositionsarbeit. Die Koalition würde so ihre Haushaltspolitik selbst federführend kontrollieren.
Hätte ein Zugriff der AfD auf den Innenausschussvorsitz verhindert werden können?
Vor dem ersten Zugriff der AfD waren SPD, Union, Grüne und FDP an der Reihe. Da die Union im ersten Zugriff auf den Haushaltsausschuss festgelegt war, hatten SPD, Grüne und FDP die Chance den Innenausschuss zu ziehen und damit den Vorsitz der AfD zu verhindern. Statt dem Innenausschuss haben die Fraktion aber folgende Ressorts gezogen: Außen, Europa und Verteidigung.
Was zeichnet den Innenausschuss aus?
Ausschuss ist nicht gleich Ausschuss. Der Europaausschuss zum Beispiel, den die Grünen laut eigenen Aussagen dem Innenausschuss bewusst vorgezogen haben, hat ein gewisses Prestige. In der parlamentarischen Praxis kontrolliert der Europaausschuss aber de facto keine einzige Behörde, spiegelt kein Ministerium, bearbeitet kaum ein Gesetzgebungsvorhaben federführend. Demgegenüber kontrolliert der Innenausschuss mit großem Abstand die meisten Bundesbehörden, darunter die wichtigsten Sicherheitsbehörden des Landes. Im Innenausschuss werden federführend nahezu die gesamte Sicherheitsgesetzgebung, der Kampf gegen Extremismus und das Asyl- und Aufenthaltsrecht federführend bearbeitet. Der Innenausschuss steht regelmäßig im Fokus der Öffentlichkeit sei es bei extremistischen Umtrieben in den Sicherheitsbehörden, Unregelmäßigkeiten beim BAMF, Terroranschlägen wie in Halle, Hanau oder Würzburg, bei Hackerangriffen, Migrationsbewegungen u.v.m.